Wir
waren unterwegs. Eine halbe Stunde haben wir gebraucht für den Weg von unserem
zu Hause zum Ziel. Dann,
endlich, kamen wir an. Von Weitem hörte man schon die Männer rufen, den dumpfen
Schlag des gekickten Balls durch die Luft hallen und die Zuschauer klatschen.
Daneben ertönte Musik aus der Anlage und in einer anderen Ecke kreischten
Kinder. Wir waren da. Wirbelwind reagierte wie erwartet: die Euphorie, die wir
ihr versuchten zu übertragen wurde sofort in Skepsis und Überforderung
umgewandelt. So viele Menschen. Es war wie im Kindergarten, wenn wir spät dran
und schon viele Kinder im Raum sind. Dann steht sie an der Tür, presst sich an
meine Beine und ist etwas überfordert davon die vor ihr liegende Situation
einzuschätzen. So war es jetzt auch. All die fremden Menschen. Es war zwar ein
Fest der Kindergärten unseres Stadtviertels, aber kein bekanntes Gesicht weit
und breit zu sehen.
Dann, plötzlich stand ein Mädchen aus ihrer Gruppe vor ihr.
Sie rief sofort begeistert ihren Namen und war wie ausgewechselt. Das Eis war
gebrochen. Es brauchte nur ein bekanntes Gesicht. Mehr nicht. Nun stapfte sie
selbstbewusst durch die Gegend und erkundete die zahlreichen Stände, die
Spielsachen der anderen Kinder und den aschigen Boden (yeah).
Dann
hielt sie inne. Ihr Blick fokussierte die Hüpfburg. Sehr viele Kinder tummelten
sich bereits darauf, hüpften, strauchelten, krabbelten und rannten wild
durcheinander. Es war ein einziges Wuseln, begleitet von einer höllischen
Geräuschkulisse. Es war nur logisch, dass Wirbelwind wie versteinert davor
stehen blieb. Neugierig guckte sie die springenden Kinder an. Man sah ihr an,
dass sie gerne hinein wollte. „Voll“, kommentierte sie immer wieder ihr Zögern.
Wie im Kindergarten presste sie sich an meine Beine. Als eine Erzieherin ihrer
Gruppe sie bemerkte und auf die Hüpfburg locken wollte, schlang sie sich noch
fester um mich. Sie hob sogar ihr linkes Bein und wickelte es um meines, so
sehr brauchte sie meine Nähe. Ich zog ihr die Schuhe wieder an und ging mit ihr
von der Hüpfburg weg. Sie war einfach noch nicht so weit. Und ich hatte Angst
sie würde ihr „Scheitern“ als Versagen ansehen.
Aber es gab ja genug
Abwechslung auf dem Fest. Sie spielte eine halbe Stunde ausgelassen im Heu und
mit den Seifenblasen, ehe sie nochmals neugierig zur Hüpfburg guckte. Ich
machte ihr keinen Druck, sondern meinte nur: „Wenn Du hüpfen möchtest, zieh
einfach Deine Schuhe aus.“ Sie guckte wieder auf das bunte Treiben, den Rücken
an meine Beine gepresst. Dann, ganz langsam, löste sie sich von mir, setzte
sich hin und zog ihre Schuhe aus. Erst den rechten, dann den linken. Dann näherte
sie sich dem Einstieg. Das eine Bein wurde langsam angehoben, und dann
wieder gesenkt. Fehlalarm. Auf der Hüpfburg erschien das vertraute Kind von
vorhin. Ich fragte, ob sie mit ihr etwas hüpfen mag. Sie bejahte und hob erneut
ihr Bein. Und dann, dann war sie auf einmal oben. Auf allen Vieren versuchte
sie auf dem wackelnden Untergrund Halt zu finden, ohne dabei jedoch verzweifelt
zu wirken. Dabei bemerkte sie nicht, dass ihre Vertraute die Hüpfburg wieder
verlassen hatte. Langsam krabbelte sie in den Innenbereich. Und allmählich
konnte man eine Metamorphose beobachten. Sie wurde sicherer, wusste immer
besser mit der hektischen und schwankenden Umgebung umzugehen. Und schließlich kugelte
sie sich wild von einer Seite auf die andere oder sprang von einer Rolle zur
nächsten, die Bäckchen rot und ein breites Grinsen im Gesicht.
Nun
war ich es, die ängstlich vor der Hüpfburg stand: Immer wieder rollte sie auf
dem Boden entlang, während die anderen, viel größeren Kinder um sie
herumhüpften. Nur knapp verfehlten sie immer wieder ihren Kopf. Nicht nur
einmal musste ich tief einatmen und mich beherrschen nicht sofort hinterher zu klettern.
Sicherlich hat sie sich auch ein paar Mal an anderen Kindern gestoßen. Aber in
ihrer Hüpfeuphorie, ihrem Freudentaumel, merkte sie nichts dergleichen.
Es
ist ein Phänomen, wie nah Gefühle der Angst, der Verunsicherung und solche der
Freude und des Glücks beieinander liegen, und wie extrem diese Gefühle durch
Kinder plötzlich gelebt werden - und bei den Eltern nicht Halt machen.
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