Ich werde alt.

Bildquelle: Pixabay.com
Hier folgt ein etwas nachdenklicher Beitrag von mir. Ja, auch ich bin mal nachdenklich, neben all den glatten und humorvollen Beiträgen. Oft behalte ich es für mich, denke so vor mich hin, mache mir mein eigenes Bild. Oder ich rede mit meinem Freund darüber. Selten lasse ich andere in meine Karten gucken. Heute werde ich das ändern. 

Es ist keine Frage. Es ist eine Feststellung. Ich werde alt. Ich mag es nicht. 

Als Kind konnte ich es gar nicht abwarten: sehnsüchtig blickte ich meinem achzehnten Geburtstag entgegen. Endlich volljährig, endlich kann ich tun und lassen, was ich möchte. Endlich frei. Endlich ernst genommen. Und geändert hatte sich doch nichts. 
Auch die folgenden Jahre begrüßte ich mein wachsendes Alter mit Freude, später mit Wohlwollen und Respekt. Ich habe JEDEN Geburtstag gefeiert. Auch als ich die 30er-Marke geknackt habe. Ich habe keine Träne vergossen und positiv in mein neues Jahrzehnt geblickt. Denn ich war im Plan. Ich hatte einen tollen Freund, wir wollten schwanger werden und Kind 1 mit 30 Jahren zu bekommen war noch möglich. Ich lag gut in der Zeit. 

Dann kam das Kind. Und mit den Monaten und Jahren, die bislang schon verstrichen sind, merke ich, wie die Zeit vergeht. Dass ich bereits 14 Jahre aus der Schule raus bin, schockiert mich weniger, als die Tatsache, dass unser Wirbelwind bereits zwei Jahre alt geworden ist. Wie die Zeit rennt. Plötzlich bekomme ich Panik, ob ich noch jung genug für ein, vielleicht auch zwei weitere Kinder bin. Ich denke an Uhren, die ticken und ticken. Ich werde alt.

Auch Fältchen habe ich im Gesicht. Sie stören mich nicht, solange es Lachfalten sind. Die einzelnen grauen Haare auf meinem Kopf stören mich schon mehr. Mein Freund schnitt sie mir großzügigerweise ab. Seine Unterstützung machte mir nicht gerade Mut zu diesen Exoten zu stehen. Letzten Monat griff ich dann zum ersten Mal zum Haarfärbemittel. Genaugenommen habe ich schon früher mal meine Haare gefärbt, aber nie im dem Ziel graue Haare abzudecken. Nun war es soweit. Ich werde alt.

Doch der große Schock kam letzte Woche beim Zahnarzt. Ich habe keine sonderlich guten genetischen Voraussetzungen für ein gesundes Gebiss. Hinzu kommen verschleppte Karies, weil mein Zahnarzt im Kinderalter nicht einmal auf die Idee gekommen ist meine Zähne zu röntgen. Ein Orts- und Zahnarztwechsel brachte dann Schlimmstes zum Vorschein. Drei Teilkronen später schien mein Gebiss wieder einigermaßen geflickt. Doch nun im Urlaub begann ein verkronter Zahn zu rebellieren. Der Zahnarztbesuch offenbarte: der Knochen geht zurück, der Wurzelbereich ist entzündet, der Zahn muss raus. Ich musste schlucken. Einmal für die Botschaft, die ich bereits vermutet hatte, als mir die Zahnarzthelferin tranceartig meine Schulter massierte, ein zweites Mal schluckte ich, um die aufkommende Träne zu verdrängen. Nun ist es also soweit: ich werde alt. 

Und was nun? Es ist der Lauf des Lebens, ich weiß. Aber irgendwie dachte ich, ich würde eher ein neues Hüftgelenk bekommen, als einen Zahn zu verlieren. Es hat mich überrascht, obwohl ich damit hätte rechnen müssen. Und es hat mich nachdenklich gemacht. Was kommt da noch? Was wird mich die nächsten Jahre aus der Bahn werfen und immer wieder mein Alter vor Augen führen lassen? Und lernt man irgendwann damit umzugehen? Sagt man irgendwann: "Scheiß auf den Zahn", "Scheiß auf die Falten", "Scheiß auf die Hüfte"? Kann man irgendwann mit seinen anderen zahnlosen Freunden darüber lachen? Da hilft wohl nur eines, um das herauszufinden: abwarten, alt werden.
Eure geknickte Wiebke 

P.S.: Ihr mögt denken, dass ich dramatisiere. Und wahrscheinlich tue ich das auch. Ist ja nur ein Zahn, und heutzutage kann man das gut kaschieren. Aber es ist dennoch hart, gerade mit der bevorstehenden Hochzeit, zu welcher ich mit Zahnlücke erscheinen werde. Glücklicherweise ist es ein Backenzahn. Ich hoffe es verdirbt mir nicht das Lächeln am großen Tag.

Labels: