Was ihr schon immer über die Geburt wissen wolltet - Geburtsmythen auf dem Prüfstand



Bei meiner ersten Schwangerchaft habe ich nicht viele Schwangerschaftskurse besucht. Ich ging zum Geburtsvorbereitungskurs in das Krankenhaus. Die Kursleiterin war jünger als ich und hatte keine Kinder. Diesmal ist es anders. Den Geburtsvorbereitungskurs habe ich bei einer Frau, welche seit über 37 Jahren praktiziert. Darüber hinaus besuche ich einen Schwangerschaftsyogakurs bei einer lieben Person, die sehr viel Erfahrung zum Thema Geburt gewonnen hat. Ihr Wissen möchte ich nun gerne mit Euch teilen, da es teilweise den üblichen Vorgehensweisen widerspricht, die Hebammen auch heute noch anweisen.

Ich möchte aber betonen, dass es sich hierbei um Meinungen und Erfahrungen handelt, die durchaus subjektiv geprägt sein können. Das zu beurteilen bin ich nicht in der Lage, ich gebe es lediglich wieder.
 

1. Ihr habt Schmerzen und wisst nicht, ob es die Wehen sind? Hebammen geben einem dann gerne den Rat: "Nehmen Sie ein warmes Bad. Wenn die Schmerzen nicht weggehen, sind es Wehen". 
Das ist zwar richtig. Aber viel wichtiger zu wissen ist, dass dieses warme Bad die Wehen auch fördert. Das kann hilfreich sein, wenn man das Bad dort einnimmt, wo man das Kind auch bekommen möchte. Ansonsten kann es passieren, dass die Wehen zu schnell zu heftig werden. Auch ist wichtig zu wissen, dass diese Wehenförderung durch das warme Bad nur einmal funktioniert. Das heißt wenn man bereits zu Hause gebadet hat und dann im Krankenhaus die Wehen ins Stocken kommen, dann kann man kein zweites Mal zu einem warmen Bad greifen. Das Pulver ist verschossen.

2. "Das Kind bekommt man am Besten im Liegen".
Dieses Vorgehen war viele Jahre lang üblich und wird in Krankenhäusern immernoch forciert. Auch als ich bei Wirbelwind in den Kreißsaal kam, äußerte ich noch, dass ich gerne den Hocker ausprobieren wollte. Ich wurde dann aber mit einer fadenscheinigen Ausrede zum Bett bugsiert. Meine erste Nachsorgehebamme ließ einmal den Spruch: "Man scheißt ja auch nicht im Liegen". In der Liegeposition erhöht sich die Gefahr des Dammrisses. 
Meine "Yogatante" erklärte es etwas deutlicher. Wir brauchen zur Geburt beide Füße fest auf dem Boden verankert. Nur dann können wir unverkrampft an die Geburt herangehen und den Muttermund richtig öffnen. Im Liegen ist das nicht möglich. Eine aufrechte Gebärposition im Gebärhocker oder biespielsweise stehend am Seil ist daher am Besten geeignet. 
Auch für die Wehen ist das Stehen unbdingt erforderlich. Der Druck auf den Gebärmutterhals, der nur durch das Stehen, nicht das Liegen entsteht, regt das Hormon Oxytocin an, welches die Wehen fördert

3. "Schreien Sie doch nicht so laut!" 
Einerseits ist es richtig: lautes Schreien, in hohen Tonlagen, bringt unter einer heftigen Wehe überhaupt nichts. Doch im Gegenzug ganz still zu sein, ist ebenso falsch. Wichtig ist: der Muttermund geht durch das Tönen auf. "Tönen" bedeutet, dass man beim Ausatmen einen tiefen Ton in Form eines As, Os oder Us von sich gibt.

4. Zur Geburt darf die ganze Verwandschaft dabei sein. 
Geburt ist etwas Intimes. Unter der Geburt werden die gleichen Hormone ausgeschüttet, wie beim Sex. "Wie das Baby gezeugt wird, so kommt es auch raus". Endorphine werden freigesetzt, die die Gebärende in einen tranceartigen Zustand versetzen kann. Das hilft den Verstand auszuschalten und sich vollkommen der Geburt hinzugeben. Erst so kann sich der Muttermund vollständig öffnen. Sind andere Personen anwesend, können diese den tranceartigen Zustand stören. "Beim Sex ist die Schwiegermutter ja auch nicht dabei". Ja, das wäre wohl für den Ausgang des Aktes sehr hinderlich. Genaus verhält es sich unter der Geburt. Im Kreißsaal (oder wo auch immer man entbindet) sollten daher so wenig Leute wie möglich sein. 

(Also nicht so wie bei mir mit Wirbelwind. Da standen zuletzt vier Personen an meinem Fußende, da keine weitere Geburt anstand: neben Hebamme und Ärztin wohnten eine weitere Hebamme sowie eine Schülerschwester dem Spektakel bei.) 

5. Technik kann die Geburt unterstützen.
Das Problem in der heutigen Zeit ist, das die Geburt total überwacht wird. Einerseits ist es gut zu wissen, ob es dem Kind unter der Geburt gut geht, der Herzschlag normal ist usw. Das Problem daran ist jedoch, dass die permanente Überwachung den Verstand aktiv hält. Und das erschwert die Geburt, da hierdurch der tranceartige Zustand ausgeschaltet wird und man leichter verkrampft. 

6. Wehenförderliche Mittel schaden nicht.
Das Problem an wehenförderlichen Mitteln (auch hier handelt es sich um Oxytocin) ist, dass die Wehen permanent angeregt werden und die Endorphine, die sonst in den Wehenpausen ausgeschüttet werden und Mutter und Kind Entspannung bringen, dadurch teilweise unterdrückt werden. Kinder, die durch wehenförderliche Mittel zur Welt kamen (das gilt auch für Geburten unter PDA und Schmerzmittel), sind daher schwächer und oftmals nicht richtig in der Lage gleich nach der Geburt an der Brust zu saugen. Dies ist jedoch für einen gelungenen Stillstart unabdingbar.
Auch werden Langzeitwirkungen auf Mutter und insbesondere Kind diskutiert, die durch die Oxytocingabe eintreten können, wie Bindungs- und Stillprobleme.

7. Nach der Geburt sollte das Kind so schnell wie möglich gemessen und gewogen werden.
Das hat Zeit! Das Wichtigste ist zunächst das Baby auf seine Brust zu legen und die neue Zweisamkeit zu genießen. "Bonding" nennt sich der Prozess des Bindens, welchem 2-3 Stunden Zeit gegeben werden sollte. Erst dann brauch das Baby vermessen zu werden. Den APGAR-Test kann die Ärztin auch machen, während sie das Baby in den Armen halten.
Und das Wichtigste dabei: ca. 10 Minuten nach der Geburt setzt der Saugreflex des Babys ein. Dann sollte es an Ihre Brust gelegt werden. Viele wissen, dass dies wichtig ist, um die Milchproduktion anzuregen. Aber nur wenige wissen, dass dieses Saugen die Abstoßung der Plazenta fördert. Sollten Hebamme oder Ärzte Druck machen, dass nach 15 Minuten die Nachgeburt noch nicht herauskam, darf man sich nicht stressen lassen. Es kann bis zu 45 Minuten dauern. Dem Körper sollte Zeit gegeben werden, keine wehenförderlichen Mittel. Manche Hebammen quetschen sogar auf dem Bauch herum oder ziehen an der Nabelschnur, um die Nachgeburt mit Gewalt herauszuzerren. Dabei braucht es meist nur Zeit. Diese muss man im Krankenhausalltag unbedingt einfordern!


Ob ich diese ganzen Tipps befolgen werde oder am Ende doch wieder in Käferstellung im Bett liegen werde, wird sich noch zeigen. Manch einer findet es ja angenehm im Bett zu entbinden. Oder die Wehen sind so stark, dass die Liegeposition völlig ausreichend ist. Hier ist jeder individuell verschieden, und jede Geburt läuft anders ab. Findet also Eure eigene Lösung. Oder, das ist wohl das Wichtigste, hört auf Eure Intuition!

Wie habt Ihr Eure Geburt erlebt? Habt Ihr Euch in einigen Dingen wiedergefunden? Haben Eure Hebammen Vorschriften gemacht, die Euch nun seltsam vorkommen? 
Oder könnt Ihr meine Ausführungen so gar nicht nachvollziehen?


Eure Wiebke


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