Stillen macht einsam

Die letzten Tage haben geschlaucht. Bislang wechselten sich die "Trinktage" und die "Schlaftage" einigermaßen ab, so dass nach einem kräftezehrenden Tag auch einmal ein Tag der Entspannung folgte. Seit Samstag ist aber irgendwie landunter.  Vielleicht ist es ein größerer Wachstumsschub, vielleicht waren die letzten Tage auch einfach zu trubelig (gibt es das Wort?) für unser überfordertes Wölkchen. Vielleicht ist es von beidem etwas. Aber eins steht fest: wenn das in dieser Form so weiter geht, drehe ich noch am Rad. Doch lest selbst...


Szene 1: Samstag

Wir sind auf der Geburtstagsfeier des Großvaters. Er feiert in einem Restaurant. Alle haben aus der Karte ihr Wunschessen gewählt. Das Baby schläft in der Tragetasche des Kinderwagens in Sichtweite. Alle sind entzückt von dem kleinen Wesen, das dort so friedlich in der Ecke vor sich hindöst. Sie sehen nicht, dass ich es zuvor eine Stunde lang gestillt und anschließend viele weitere Minuten in den Schlaf geschunkelt habe. Als endlich das Essen seviert wird, macht Wölkchen die Augen auf. Nein ich korrigiere, die Augen hatte sie nie geöffnet, sie fing gleich an vehement zu schreien. 
Ich schnappe sie mir, flüchte in unser Hotelzimmer und stille weiter. Mein nicht gerade stillfreundliches Outfit lässt mir leider nicht die Wahl direkt im Restaurant zu stillen. Abesehen davon weiß ich nicht, ob ich mich vor der gesamten Verwandtschaft der Schwiegereltern entblößen wöllte. Als ich eine Stunde später zurückkehre, wird mir mein warmgehaltenes Essen zum zweiten Mal serviert. Ich sitze alleine am Tisch, die Gäste machen einen Spaziergang. Sie haben das Baby im Kinderwagen dabei. Nach zwanzig Minuten wird mir das Baby wieder gebracht. Es hat nicht geschlafen, schreit wie am Spieß. Ich verkrümele mich wieder in das Hotelzimmer.
Sie trinkt etwas, um dann innezuhalten und loszumeckern. Die geschluckte Luft drückt, ein Bäucherchen schafft wenig Abhilfe. Sie nuckelt etwas weiter, schreit dann die Brust an. Als ich sie ablege spuckt sie. Doch das war nicht der Grund des Schreiens, denn anschließend trinkt sie wieder schlecht weiter. Nuckeln, Meckern, Nuckeln, Schreien, Bäuerchenmachen, Spucken, Schreien, Nuckeln...
Nach einer Stunde gehe ich mit dem immernoch wachen, aber völlig platten Baby zur Feiergesellschaft und verabschiede mich offiziell. Schön war`s, haha.

Szene 2: Sonntag

Die Laune des Babys ist die Gleiche. Sicherlich überfordert von der fremden Umgebung (wir sind immernoch bei den Großeltern), den vielen neuen Gesichtern und dem etwas anderen Tagesablauf zeigt sie sehr deutlich, dass ihr das nicht gefällt. Das Baby schläft tagsüber wieder wenig und nur sehr kurz. Stattdessen schreit es schnell und trinkt schlecht. Es hat den Anschein, dass es meine Brust nicht als Nahrungsquelle, sondern als Trostspender sucht. Blöd nur, dass diese lästige Milch immerwieder herauskommt. Während ich den Vormittag stille, macht Wirbelwind mit dem Großvater eine kleine Wanderung durch die nähere Umgebung. Ich bin nicht dabei.
Bis zum Mittag halte ich durch. Ich liege im Gästezimmer und versuche Wölkchen im Liegen stillend zu beruhigen und zum Einschlafen zu bewegen. Sie denkt gar nicht daran, obwohl sie augenscheinlich hundemüde ist. Sie trinkt nicht mehr, sie schreit nur noch meine Brust an. Ich reiche völlig überfordert das Baby an den Mann weiter, der es im Kinderwagen ausfährt. Eine ganze Weile brüllt sie noch im Kinderwagen, ehe sie einschläft. Sie schläft über zwei Stunden. 
Ich versuche währenddessen selber etwas zu schlafen. Ich bin zu müde, um mich mit Wirbelwind zu beschäftigen. Gleichzeitig bin ich traurig. Traurig darüber, dass mir Wölkchen so wenig Zeit lässt, mich um Wirbelwind zu kümmern. Traurig, dass ich so viel verpasse. Ein paar Tränen kullern über meine Wangen.

Szene 3: Montag

Ich bin hochmotiviert. Ich habe mir geschworen, Wölkchen mit einem Lächeln im Gesicht meine Brust zu präsentieren, wann und so oft sie will. Und genau dies fordert sie auch ein. Nach einem Stillmarathon am Vormittag beschließen wir sie in den Kinderwagen zu packen, uns etwas Essen zu holen und im Park zu essen. Wir haben die Parkbank noch nicht ganz erreicht, und Wölkchen öffnet die Augen. Der Papa schunkelt sie noch etwas durch die Gegend, damit ich hastig mein Mittagessen hinunterschlingen kann. Alleine. Als der Papa dann sein Mittagessen genießt, genießt Wölkchen bereits wieder meine Brust. Am Nachmittag wiederholt sich der gesamte Vormittag noch einmal. Ich beschließe, dass ich raus muss. Ich schnappe mir Wölkchen und hole gemeinsam mit dem Papa unseren Wirbelwind aus dem Kindergarten ab. Wir gehen in die Stadt. Natürlich wird sie dort wach und ich stille auf einer Bank mitten im Einkaufszentrum. Sie trinkt etwas, aber nicht genug. Ich wickele. Sie schreit. Ich suche die nächste Bank, diesmal außerhalb des Einkaufszentrums. Papa und Wirbelwind gehen kurz etwas zu Essen holen. Ich sitze allein unter Fremden und stille erneut. Wir beschließen nach Hause zu fahren. Wölkchen schreit. Eine dritte Stillbank wird aufgesucht. Anschließend schläft sie meckernd in meinen Armen ein. Zu Hause angekommen wird sie wieder wach...  

Einsamkeit

Dass die ersten Tage anstrengend werden würden, das wusste ich. Doch ich war davon überzeugt, dass es, sobald die Milch da sein würde, leichter werden würde. Einige Tage war es das auch, aber nie so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich komme zu Nichts. Diesen Post hier kann ich nur deshalb schreiben, weil ich die Schreibzeit von meiner mageren Schlafzeit abzwacke.
Genau das, was ich gerade erlebe, kenne ich bereits aus Wirbelwinds Babyzeit. Und ich dachte, das wäre eine Ausnahme. Ich dachte, beim zweiten Kind wird es anders. Etwas anders ist es auch, weil ich diesmal zumindest auch bei "Lärm" stillen kann. Aber die vielen Stilleinheiten, die kurzen Trinkphasen, die kurzen Tagesschläfchen... das alles scheint sich zu wiederholen. Mir bleibt keine Zeit. Und oftmals bin ich einsam. Einsam, weil der Papa mit Wirbelwind alleine etwas unternimmt. Einsam, weil Wölkchen meine ganze Aufmerksamkeit fordert. Einsam, weil ich scheinbar mit meinen Problemen alleine da stehe und die anderen Mütter so viel pflegeleichtere Babys haben.

Bereits bei Wirbelwind hatte ich mir geschworen: beim zweiten Kind stillst du nicht. Du gibst gleich die Flasche und kannst weiterleben. Doch ich habe es vergessen. Vergessen, wie kräftezehrend es sein kann für ein sehr forderndes Kind da zu sein. Und ich hatte gehofft. Gehofft, dass es diesmal anders wird. Und vielleicht wird es das auch noch. Vielleicht. 
Meine Hebamme hat bereits versucht meine Einstellung zu ändern. Ja, ich gehe da angeblich doch desillusioniert heran. Es sei normal, dass die Babys oft kommen, und auch dass sie öfter mal die Brust anschreien. Aber im Ernst: ich verlange ja keinen vier-Stunden-Rhythmus, nur mal länger als eine halbe Stunde wäre doch schon etwas. Andere Babys schlafen doch auch! Nur ich trage mein Baby brüllend durchs Einkaufszentrum.
Ich stille gerne. Auch wenn man das nach den Zeilen nicht vermuten mag. Ich möchte es auch beibehalten. In den Zeiten, in denen Wölkchen gut trinkt bzw. nicht meine Brust anmeckert, genieße ich es auch sehr, diese Nähe, diese Zweisamkeit. Diese Momente sind derzeit aber leider zu wenig.


Entfremdung von Wirbelwind?

Wie gerne wäre ich am Samstagvormittag bei Wirbelwind gewesen, und sie auch bei mir. Wie gerne hätte ich sie auf die Toilette begleitet, ihr eine Wurst gekauft, sie abends ins Bett gebracht. Aber ich, ich stille. 
Frida sprach auf ihrem Blog 2KindChaos kürzlich von "Entfremdung". Entfremde ich mich von Wirbelwind? Entfremdet sie sich von mir? Bereits mit dem Entschluss zur Fremdbetreuung habe ich Wirbelwind ein Stück von mir weggeschoben. Ich habe dabei keine Bauchschmerzen, weil ich merke, dass es ihr guttut und sie gerne dort hingeht. Sie macht viel Erfahrungen, die sie sonst nie gemacht hätte, schließt neue Freundschaften. Doch diesmal ist es anders. Ich merke, dass sie darunter leidet mich nicht so oft zu sehen. Der Vater bringt sie in den Kindergarten, er holt sie ab. Er geht mit ihr auf den Spielplatz oder einkaufen. Ich versuche so oft es geht dabei zu sein. Es ist schon mehr geworden, aber noch nicht genug. Sie fordert meine Anwesenheit ein. Wenn ich dabei bin, bin ich die Nummer eins, nicht der Papa. Sie weicht mir nicht von der Seite. Als ich sie heute aus dem Kindergarten abholte, bekam sie sich nicht mehr ein vor Freude. Ich sehe das mit einem lächelnden und einem weinenden Auge. Einerseits ist es schön zu sehen, dass sie so an mir hängt (welche Mutter fände das nicht schön!), andererseits bricht es mir das Herz zu wissen, dass sie scheinbar tapfer verzichtet, wenn ich mich um Wölkchen kümmern muss. Sie sagt es mir nicht, aber ihre Körpersprache spricht Bände.
Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb ich beim Stillen mehr Effizienz erwarte, warum ich diesen eigentlich sehr intimen Vorgang nicht so genießen kann, wie ich es sollte. Ist das nicht legitm?

Bitte, liebe Mamis da draußen. Sagt mir, dass Eure Babys auch so schlecht schlafen, schlecht trinken, aber viel nuckeln. Bitte sagt mir, dass es ganz normal ist. Dass es nur ne Phase ist und ich bald zu mehr Freiraum komme. Um auch mal zu Ende zu Duschen und nicht triefnasse wieder das schreiende Baby anzulegen! Bitte!

Eure Wiebke

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