Kraftlos - wütend - traurig

Wenn es immer so einfach wäre
Ich bin gerne Mama. Ich bin gerne Mama einer Dreijährigen. Ich bin gerne Mama eines Babys. Meistens. Aber manchmal wächst es mir über den Kopf hinaus. Dann würde ich gerne die Stopp-Taste drücken und eine Pause einlegen. Eine Pause vom Mamasein. Nur ganz kurz. Mal durchatmen. Mal runterkommen. Damit man nicht all seine schlechte Laune am Kind auslässt. Damit man gar nicht erst schlechte Laune bekommt. Denn so gehört es sich ja als Mama. Man muss stark sein vor den Kindern und vor sich selbst. Keine Schwäche zeigen.


Nur gestern, da war ich gar nicht stark. Der "Roadtrip" vom Vortag steckte nicht nur mir, sondern auch Wölkchen noch in den Knochen. Sie war deutlich mürrischer drauf als sonst. Ich auch. 
Alles fing eigentlich normal an, bis zum Mittag. Dann wollte Wölkchen nicht so recht trinken und nicht so recht schlafen. Immer wieder zerrte sie beim Trinken an meiner Brust herum, warf den Kopf zur Seite und trieb mir Tränen in die Augen. Eigentlich ist das Wegdrehen ein Zeichen dafür, dass sie Luft geschluckt hat und Bäuerchen machen will. Doch beim Hochnehmen schrie sie nur noch mehr. Auch Versuche sie durch buntes Babyspielzeug bei Laune zu halten scheiterten kläglich. Ganze drei Stunden verbrachten wir auf diese Art und Weise. Sie offensichtlich müde, aber des Alleine-Einschlafens nicht mächtig. Sie offensichtlich hungrig, aber des Trinkens nicht fähig. 

Und da war der Punkt gekommen. Irgendwo zwischen schmerzenden Brüsten, pfeifenden Ohren, beginnenden Kopfschmerzen, Hunger und einer generellen Erschöpfung stieg sie in mir auf, die Wut. 
Ich war wütend auf das Baby. Wütend, weil es sich so seltsam aufführte. So unlogisch. So unberechenbar. Wütend, weil es mich mal wieder komplett in Beschlag nimmt, ich nur mit vehementem Babyschreien im Hintergrund auf Toilette gehen oder mir etwas zu Essen holen kann. Ich war wütend, weil sie nicht schlief und damit die Zeitplanung Wirbelwind aus dem Kindergarten abzuholen völlig durcheinander brachte. 
Ich war so wütend, dass ich lieber die Toilette schrubbte und das völlig ausgepowerte Baby in seinem Bettchen meckern ließ. Ich war so wütend, dass ich es anschrie. Ich war so wütend, dass ich dachte "nein, ich gebe nicht nach". Ich war so wütend, dass ich den Kinderwagen deutlich ruppiger die Treppen hinunterfuhr, als es notwendig war. Ich war so wütend, dass ich Genugtuung empfand, als sie im Kinderwagen weiterschrie.

Nun - mit ein paar Stunden Abstand - schießen mir die Tränen in die Augen, wo ich das schreibe. Weil ich so ungerecht zum Baby war. So herzlos. Wie kann man ein kleines, hilfloses Baby anschreien? Wie kann ich darin ein Machtspiel sehen und nicht "nachgeben" wollen? Es drückt doch bloß aus, wie es sich fühlt, teilt mir seine Stimmung und seine Bedürfnisse mit. Und in dem Moment ging es Wölkchen eben nicht ums Trinken oder Schlafen. Sie beschäftigte etwas ganz anderes und hätte eine ruhige, verständnisvolle und zärtliche Mutter gebraucht. Hätte ich mich in diesem Moment von Außen gesehen, ich hätte die Hände über den Kopf zusammengeschlagen oder mit erhobenem Zeigefinger zig Erziehungsratgeber zitiert. Ja, ich weiß es besser. Aber es ging in dem Moment nicht. ES GING NICHT.

Und nun denke ich, ich war auch wütend auf mich selbst. Wütend, weil ich die Situation nicht unter Kontrolle hatte. Weil ich Schwäche zeigte. Weil ich nicht die aalglatte, die perfekte Mutter war, die ich den Tag zuvor im Zug noch versuchte zu sein. Ich hatte schlechte Laune und ließ es am Baby aus. Und das Baby schrie nur noch mehr. Völlig verwundert darüber, was denn mit der Mama los ist.

Im Kinderwagen auf dem Weg zum Kindergarten schlief sie dann irgendwann ein und wir konnten durchschnaufen. Wir. Nicht nur Wölkchen, auch ich. Die nächsten Stunden waren weiter anstrengend, aber ich war wieder im Lot. Vielleicht lag es auch an Wirbelwind, deren Anwesenheit mich "vernünftiger" werden ließ. Ich hatte eine Vorbildfunktion. Wut muss ich meinem Kind nicht vorleben. Erschöpfung ja, das gebe ich ihr gegenüber offen zu, aber Wut nicht. 

Und dann gab es ihn, den schönsten Moment des Tages. Ich lag abends mit Wölkchen im Bett. Sie schaute mich an, lutschte an ihrer Hand und lachte mich an. Die Augen strahlten, als wollten sie sagen: "Du bist meine Mama. Du bist die Beste." Und ich lächelte zurück, mit Tränen in den Augen und etwas Wehmut im Herzen.
 
Eure Wiebke

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