Die Luft zum Atmen

Heute war wieder so ein Tag, an dem nichts ging. Wölkchen knatterte los, sobald man sie in die Horizontale bewegte. Abgelegt auf der Spieldecke, mit tausend Spielsachen und fröhlich lachender und Babyspielzeug schwingender Mama wurde es nicht besser. Nur Fliegen, hopsen auf Mamas Schoß und Herumtragen ließ sie sich gefallen. Mittags steckte ich sie in den Kinderwagen und ging spazieren. Endlich eingeschlafen gönnte ich mir einen Döner, den ich auf einer Mauer mitten an der Straße hastig hineinzwängte. Denn der Blick auf die Uhr verriet, dass die Zeit bis zum Aufwachen kontinuierlich näher rückte. Zeit mich genüsslich im Park auf die Bank zu setzen hatte ich nicht. Schnell noch ein Foto für Instagram geschossen und noch während ich den dazugehörigen Text schrieb, wachte sie auf. 
 
Zu Hause ging das Spiel wieder von Vorne los und steigerte sich weiter, bis schließlich nichts mehr half und sie nur noch quengelte, egal was ich tat. Sie wollte nichts trinken, nicht herumgetragen werden. Sie wollte nicht auf irgendwelchen Beißringen rumkauen. Sie wollte auch nicht ihr geliebtes Buch anschauen.
Also schnappte ich mir das Tragetuch und band sie um mich. Sie wand sich so sehr, dass sie herauszufallen drohte. Ich zurrte es enger. So eng, bis es mir den Bauch abschnürte und ich nach Luft jappste. Wölkchen zappelte weiter, beschwerte sich, aber schrie zumindest nicht mehr. Doch ruhiger wurde sie nicht. Also musste ich wohl doch vor die Tür. Keuchend. Kurz dachte ich an die armen Frauen, die mit ihren Korsagen ähnliche Zustände hervorriefen. Nur dass sich bei mir noch Rückenschmerzen dazugesellten. Vom vielen Babytragen. Den ganzen Tag, die ganze Woche, die ganze Zeit.
Ein Kloß im Hals, Erschöpfung und Fassungslosigkeit machen sich in mir breit. Tränen bahnten sich ihren Weg ans Tageslicht. Warum trifft es zweimal mich? Warum kann nicht ein Baby mal nicht so anstrengend sein? Warum? Ich dachte an ein Gespräch mit einer guten Freundin vor ein paar Tagen. Sie sagte voller Überzeugung sie glaube, dass sich alles irgendwie ausgleicht. Ist es als Baby anstrengend, wird es später schön. Und dann blickte sie auf Wirbelwind. Und ich schaute ihr nach. Sehe dieses wundervolle Geschöpf, das mich anlacht, mit mir diskutiert, mich zum stauenen bringt. Irgendwie glaube ich, meine Freundin hat recht. Zumindest was meine Situation betrifft. Ein kleiner Trost. Ich weiß es wird besser, ich weiß es geht vorbei. Irgendwann. Vielleicht noch ein Monat, vielleicht noch drei. Bald. Nur noch etwas durchhalten. 

Eine halbe Stunde lief ich draußen herum, ehe Wölkchen endlich die Augen schloss. Ich nutzte die Gelegenheit und ließ mich erschöpft auf einer Bank nieder. Ich schloss die Augen, atmete die kalte Luft ein. Und wieder aus. Und wieder ein. Und wieder aus. Sie tat so gut. Ich lauschte in die Stille, die gar nicht so still war. Ein Vogel zwitscherte. Autos fuhren in einer entfernten Straße vorbei. Glocken fingen an zu läuten. Meine Händen wurden kalt, doch ich genoss diese erfrischende Brise, die um meine Nase wehte. Und plötzlich war ich ganz entspannt. Ich spürte den Herzschlag von Wölkchen, das Auf und Ab des Brustkorbes, die leisen Atemgeräusche. Dieses kleine, wunderbare Wesen. In dem Moment war alles perfekt. Das Leben.

Kurze Zeit später öffnete sie die Augen. Noch während ich mich nach Hause begab, fing sie wieder an zu nörgeln. Ich atmete tief ein. Auf ein Neues!

Eure Wiebke

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