Ich genieße die Zeit mit dem Baby.

Nein, dieser Satz ist kein Zitat einer anderen Person. Er entstammt tatsächlich meiner Feder. Ich genieße die Zeit mit Baby. Wer mich bereits eine Weile verfolgt, dem mag das seltsam vorkommen. Aber ich selbst finde es schließt sich nicht aus einerseits die Babyzeit zu genießen und andererseits eben doch ab und an seinen Frust von der Seele zu schreiben. Doch ich merke auch, je mehr sich die Babyzeit dem Ende nähert (Bergfest hatte ich bereits im vergangenen Monat gefeiert), desto wehmütiger fange ich an zu werden, auch wenn dennoch die Freude an eine bald größere Selbstständigkeit des Babys und somit auch meinerseits überwiegt. Und so stand es für mich mit dem zweiten Baby fest: ich möchte kein weiteres Kind. Zwei reichen. Nochmal das Risiko eines "High-Need-Babys", wie es so schön heißt? Nochmal sich selber aufgeben?
 

Drei ist das neue Zwei

Das war nicht immer so. Noch vor der Geburt von Wölkchen dachte ich "Drei ist das neue Zwei". Drei Kinder konnte ich mir sehr gut vorstellen. Schließlich war ich noch jung. Das dritte Kind könnte ich ja immernoch als Nachzügler mit Anfang 40 bekommen, wenn die beiden ersten Kinder aus dem Gröbsten raus sind. 40, das ist ja kein Alter mehr heutzutage. Dachte ich. 
Und dann kam Wölkchen und vier... fünf Monate völlige Selbstaufgabe. Völlige Abhängigkeit. Monate, in denen mein Mann und ich mehr getrennt als zusammen geschlafen haben. Monate, in denen wir mehr getrennt, als zusammen gegessen haben. Monate, in denen wir uns teilweise selbst nicht mehr kannten, weil wir nur noch ein Schatten unserer Selbst waren. Ein weiteres Kind würde unsere Beziehung nicht verkraften. So viel war klar. Mein Mann und ich sind uns daher einig: zwei reichen. Zwei ist doch prima. Zwei ist und bleibt das Beste, scheiß auf die Drei. Die Kinder würden größer werden, wir würden zu mehr Schlaf kommen und endlich einmal das machen, was wir noch nicht einmal gewagt haben zu planen. Reisen vielleicht, oder jeden Abend ausgehen. Alkohol trinken, ein bisschen zumindest. Oder zumindest mal endlich meinen Massagegutschein einlösen, den mir der Mann zum Geburtstag geschenkt hat. Einfach mal an sich selber denken. Yeah.

Kein weiteres Kind

Soweit, so klar. Als nun einige Mama-Bloggerinnen verkündeten, dass sie ein weiteres Kind erwarteten, freute ich mich für sie. Sehnsuchtsgefühle löste es nicht in mir aus. Noch habe ich ja mein Baby zu Hause. Noch. Als ich dann bei Mama on the rocks auf Twitter wie so viele andere Bloggerinnen folgendes verkündete, hatte ich es nun Schwarz auf Weiß:
@MamaOTR So dann auch von meiner Seite ganz offiziell: ich bin NICHT schwanger und habe es auch nicht mehr vor ;-)
— WIEBKE (@VerflixteAlltag) 6. Januar 2016
So, es war raus. Jetzt ist es wohl so. Jetzt werde ich nie wieder nächtelang durchstillen müssen, werde nie wieder ein vom Wachstumsschub geplagtes Baby beruhigen müssen, werde nie wieder kaltes Essen essen, weil das Baby gerade dann nach mir verlangt, wenn das dampfende Gericht auf dem Tisch steht. Mein Mann muss nie wieder auf dem Sofa schlafen, damit wenigstens einer in der Familie zu etwas Erholung kommt.  

War`s das schon?

Doch Moment mal. Ist das wirklich alles so schlimm? Bringt ein Baby denn nur Schlechtes mit sich? Wohl kaum, sonst hätte es nicht immer wieder ein Lächeln in mein Gesicht gezaubert, mich zum Schmunzeln und Träumen gebracht. Nie wieder werde ich die ersten Tritte in mir spüren, merken, wie das Leben in mir beginnt. Nie wieder werde ich sehen, wie sich mein Bauch von den Bewegungen des Fötus verbiegt. Nie wieder werde ich Wehen spüren, dieses zarte Pieksen, das allmählich an Intensität gewinnt. Nie wieder werde ich einem Kind Leben schenken, den ersten Schrei hören, das verschmierte, winzige Wesen in meine Arme und an meine Brust nehmen. Nie wieder werde ich meiner Familie vom großen Glück berichten. Nie wieder werde ich beim ersten Lächeln dahinschmelzen. Nie wieder werde ich fasziniert beobachten, wie es seine Hände entdeckt, dreht, wendet und bestaunt. Nie wieder werde ich erleben, wie es das erste Mal nach etwas greift, wie es das erste Mal seine Füße in die Hand und in den Mund steckt. Nie wieder werde ich den ersten Zahn bestaunen. Nie wieder wird ein Baby mein Gesicht erkunden.

Nie wieder werde ich von einem Baby so ehrlich und frei angelacht werden, wie ich es jetzt gerade erleben darf. Nie wieder wird sich ein Baby in meiner Umarmung verlieren, ganz hemmungslos fallen lassen, weil es sich beschützt fühlt. Alles, was ich jetzt gerade mit Wölkchen erlebe, erlebe ich das letzte Mal. Wenn sie beginnt zu Krabbeln, werde ich das letzte Mal vor Verzückung jubeln. Wenn sie erstmals an meinen Händen läuft, werde ich das letzte Mal vor Stolz platzen. Wenn sie das erste Mal frei zu Laufen beginnt, werde ich wohl dem Ende der Babyzeit entgegenweinen. Ganz leise.

Umdenken

Und seitdem mir das klar war, hat sich in mir eine Wandlung vollzogen. Dieses kleine Wesen in meinen Armen braucht mich JETZT. Es wird mich auch später brauchen, aber nicht so einnehmend. Es wird sich von mir entfernen. Mit jedem Tag ein Stückchen weiter. Und, wenn ich Glück habe, wird Wölkchen mich auch in 15 Jahren noch brauchen, wenn der erste Liebeskummer einsetzt. Und wenn ich ganz viel Glück habe, dann braucht es mich in 30 Jahren, wenn es mir das erste Enkelkind beschert. Und dann werde ich froh sein, wenn sie mich um sich haben möchte. Wenn sie meine Hilfe braucht und ich ihr meine unendliche Liebe zeigen kann, die ich doch bereits jetzt in mir trage. Doch so knuddeln und abknutschen, wie ich es jetzt gerade tue, das werde ich dann nicht mehr können. Irgendwann, in fünf, sechs Jahren wird sie auf meine Knutschattacken mit "Ihh Mama, lass das!" reagieren. Dann putzt sie alleine Zähne, verschließt die Tür, wenn sie auf die Toilette geht, heckt mit Freundinnen Streiche aus. Dann bin ich zwar immernoch ein Teil ihres Lebens, aber ich werde nicht mehr rund um die Uhr für sie da sein. Ich werde nicht alles wissen, was sie tut. Ich werde es nur erahnen können. 

Daher: scheiß auf den Wäscheberg, der mich hämisch aus der Ecke angrinst. Scheiß auf die Staubflusen, die unter dem Sofa Cha-Cha-Cha tanzen. Scheiß auf den Abwasch, der gerade laufen lernt. Das Baby braucht mich jetzt. Die Wäsche kann ich auch am Wochenende waschen, wenn der Papa mit Wölkchen spazieren ist. Und die Wohnung putzen und abwaschen. Es ist schon erstaunlich, was man in einer freien Stunde so alles schaffen kann. Das habe ich jetzt in den letzten Monaten gelernt. Ein sauberer Boden ist es nicht wert, dass Wölkchen auf der Spieldecke oder in ihrem Gitterbettchen weint und vergeblich nach meiner Nähe sucht. Und was sind schon ein paar klamme Hände, die ich vom Spazierengehen in der Kälte bekomme, wenn dafür mein Wölkchen zu besserem Schlaf findet und den Rest des Tages ausgeglichener ist? Was sind schon ein paar schlaflose Nächte, die ich nun gerade habe im Vergleich zu den schlaflosen Nächten, die ich im Alter haben würde, wenn ich auf mein tristes, kinderloses Leben zurückblicken würde?

Alles ist relativ. Alles ist vergänglich. Und wenn ich etwas bereuen würde, dann dass ich KEINE Kinder bekommen habe. 

Aber zwei reichen. Wirklich.  

Eure Wiebke

 
Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade von Mama on the rocks.

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