"Papa, Papa!"



Ein entspannter Freitagnachmittag sieht anders aus. Mein Freund wollte eigentlich um 16 Uhr da sein, doch da war er immer noch nicht aufgetaucht. Schon als wir aus dem Kindergarten angekommen vor der Haustür standen rief mein Kind „Papa, Papa“ und ich musste ihr sagen: „Der Papa ist nicht da.“ Dann rief sie umso lauter die Straße hinunter: „Papa, Papa!“. Aber er wollte nicht erscheinen. 

Kaum hatte ich die Wohnungstür geöffnet, ging das Spiel von vorne los, sie flitzte zum Wohnzimmer, wo „Papa“ gewöhnlich auf dem Sofa anzutreffen war (zu seiner Verteidigung: er hatte sich vor ein paar Wochen schlimm den Fuß verletzt und ihn auf dem Sofa hochgelegt, wie es der Arzt befohlen hatte) und rief nach selbigem. Doch sie suchte vergebens. Und nun war der Nachmittag fast rum und ich wartete und wartete. Na gut, es ist jetzt nicht so, dass ich nichts zu tun hätte. Mit einem hyperaktiven frühreifen 16-monatigen Flummiball ist man immer in Aktion. Seit ein paar Tagen kann sie die Tür vom Kühlschrank öffnen und das demonstrierte sie auch sogleich. Praktischerweise lag ein Kräuterbutter-Baguette in Griffweite, das sie auf den Esstisch legte. Nachdem ich auf das Verfallsdatum geschaut hatte, entschied ich mich - zur Freude meines Kindes: „aisch, aisch“ (Übersetzung: heiß) - es in den Ofen zu schieben.

Nach einem kurzen kritischen Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass ich wohl doch keine Zeit mehr hatte, auf meinen Freund zu warten. Ich hatte heute Abend ein außermutterliches Abendprogramm und so wollte ich zumindest noch duschen und meine Haare waschen. Die hatten es wirklich nötig. Da musste mein Kind jetzt durch. Ich drehte noch schnell den Ofen aus und fing mich dann an im Bad zu entblößen. Mein Kind zeigte gleich auf die Wanne und kommentierte das Geschehen mit einem aufgerechten "Du-Du" (Übersetzung: Duschen). Ich stieg in die Badewanne, wie mir befohlen wurde. Ich musste mich setzten, damit das Wasser nicht das gesamte Bad überflutete. Denn die Duschwand konnte ich nicht benutzen, da hätte mein Kind RICHTIG protestiert. Sie fand es natürlich aufregend dabei zu sein, weil sie sowieso ständig am Wasserhahn spielte und ihre Hand mit Begeisterung unter das fließende Wasser hielt. Und so stand sie neben mir, in der Hoffnung ich würde ihr auch einmal die Brause in die Hand drücken. Da das nicht geschah, musste sie sich anderweitig ablenken. Vom Malen hatte sie noch einen Bleistift in der Hand und begann ihre künsterischen Ergüsse an mir fortzusetzen. Erst der Arm, dann ging sie zu meiner Brust über, die sie äußerst spannend fand. Ich erklärte ihr - nicht zum ersten Mal - um was es sich dort handelte, und sogleich wollte sie sich entblößen, um mir ihre Version zu zeigen. Den Bauchnabel findet sie deutlich leichter. Aber irgendwann wird alles langweilig, und so suchte sie wieder die Nähe zur Handbrause, was darin endete, dass sie penetrant an dem Schlauch zog.
Irgendwie habe ich die Duscherei ohne größere Pfützen zu produzieren überstanden. Kaum abgetrocknet sagte mir mein Kind auch schon, was als Nächstes zu tun war: sie zeigte auf den Fön und machte "wwwww", was den Klang des Föns imitieren sollte. Kaum war dieser angeschlossen und die ersten Härchen getrocknet, forderte sie ihren Spaß ein: ich sollte sie anfönen. Ich drehte die Temperatur herunter und legte los. Sie gackerte, drehte sich weg und flitzte am Ende aus dem Bad. Doch als ich nicht hinterher kam (einen kabellosen Fön gibt es leider noch nicht - oder?) trabte sie zurück und rief "ma", was "nochmal" heißen sollte, und das Spiel begann von vorn. So wurde ich ja nie fertig. Ich konzentrierte mich wieder auf MEINE Haare und die Kleine lenkte sich derweil mit Waschmaschinentürenschwingen ab. Man mag es nicht glauben, aber am Ende hatte ich tatsächlich meine Haare trocken und einigermaßen gestylt bekommen, ohne große Mama-kümmere-dich-um-mich-Proteste.
Jetzt war es Zeit für das Abendbrot. Als wir uns gerade an den Tisch setzten, um das vertrocknete Baguette aus dem Ofen zu knabbern, hörte man den Schlüssel im Türschloss. "Papa, Papa!".

    

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