Wenn Mädchen mit Autos und Jungs mit Puppen spielen... oder auch nicht.

Immer wieder keimen im Internet, und insbesondere unter den Elternbloggern, Diskussionen zu geschlechtstypischen Produkten auf. "Das Nuf" zeigte erst kürzlich eine ganze Serie von Produkten, die geschlechtsspezifisch vermarktet werden. Demnach hat man für Jungs blaue Sachen zu kaufen. Sie sollten irgendwas mit Fußball, Dinosauriern, Piraten, Autos oder Raumschiffen zu tun haben. Bei Mädchen sollte alles hingegen Pink sein, und wenn möglich noch viel Glitter dazu. Manifestieren kann sich dies dann beispielsweise in Magerpuppen, langhaarigen Pferden oder riesigen glubschäugigen Katzen. Und nun, zur Faschingszeit wird es nochmals deutlich: Mädchen sind Prinzessinnen, Jungs sind Indianer oder Feuerwehrmänner....


Kleidung

Ich erinnere mich daran, wie wir, mit Wirbelwind im Bauch, einkaufen waren. Es wurde höchste Zeit für Babysachen, damit die Kleine - frisch geschlüpft - auch etwas zum Überziehen hatte. Bei der Babyabteilung hat man noch nicht so die Qual der Wahl: etwas rosa, etwas hellblau und viel weiß und beige. Die neutralen Sachen wanderten in den Kleiderschrank. Nur einmal kaufte ich pinke Socken, nämlich als ich das Geschlecht unserer Tochter erfuhr. Ich zeigte sie überglücklich meinem Mann, welcher ganz trocken kommentierte: "Wir ziehen unserem Sohn aber keine rosa Socken an!". Tja, Pech gehabt.
Abgesehen von diesen symbolträchtigen Socken waren die anderen Sachen bewusst geschlechtsneutral gehalten, einmal weil das zweite Kind auch die Sachen noch tragen sollte, und weil ich mit der Farbe Pink/Rosa (noch) nicht sonderlich viel anfangen konnte.

Meine Schwester vermachte uns in der Folgezeit immer wieder Klamotten von Wirbelwinds Kusine, aus denen sie herausgewachsen war. Je älter die Kusine wurde, desto pinker wurden die Stoffteile.
Der Hintergrund: Wirbelwinds Kusin und Kusine sind im Prinzip typische Jungs und Mädchen. Während der Kusin noch im Krabbelalter fasziniert alle fahrbaren Untersätze auf seine Räder hin untersuchte und zu seinen ersten 100 Wörtern ca. 10 Automarken zählten, verhielt sich die Kusine von Beginn an sehr mädchenhaft: sie rümpfte im Babyalter die Nase, wenn die Hände verschmiert waren, war deutlich bedachter und klammerte sich an die einzige Puppe im Haushalt, die sie zufällig in einer Kiste fand (inzwischen hat sie einige mehr davon). Hier fand definitiv noch keine Sozialisation seitens der Umwelt statt, zumindest nicht in dem Maße, wie es von manchen Eltern von vornherein forciert wird. Umso anfälliger sind beide aber auch für diese geschlechtsspezifischen Produkte, wohl hauptsächlich beeinflusst durch Kontakte zu Anderen im Kindergarten. Der Kusin liebt Autos und "Cars"-bedingt die Farbe Rot. Die Kusine liebt Puppen, tanzt Ballett und zieht Sachen nur an, wenn sie Pink, Lila oder Rosa sind, oder zumindest etwas glitzern. Sie kann es kaum erwarten, dass es Frühling wird, damit sie ein Kleid tragen kann, merkte sie erst letzte Woche an. 

Diese Worte würden bei Wirbelwind wohl nie aus dem Mund kommen. Sie mag Kleider nicht sonderlich. Mädchenhafte Farben hingegen trägt sie sehr gerne. Ich  kaufe dennoch auch Oberteile, die offiziell als "Jungs"-Sachen ausgewiesen sind, sprich türkis-blaue Shirts mit Dinosaurier-Print und Ähnliches. Wirbelwind lässt sich derzeit sehr gut für etwas mit Aufdruck begeistern.
Nichtsdestotrotz merke auch ich, dass sie schon lieber die farbenfroheren Sachen anzieht. Und das sind in der Regel die pinken Versionen. So habe ich ihr im Prospekt die männliche und weibliche Variante der Shirts gezeigt, und sie plädierte sofort für das pinke Shirt mit dem großen Herz darauf. Also landete auch das im Einkaufswagen. 
Noch ist der Einfluss der Anderen im Kindergarten nicht so groß. Was eine Mickey Mouse ist, lernte sie zwar dort. Aber noch sagt niemand: "Ey Wirbelwind, so kleiden sich doch nur Jungs. Und Du bist ein Mädchen." 

Spielzeug

Babyspielzeuge kann man, wenn man will, sehr gut noch neutral erwerben. Das erste weiblich angehauchte Spielzeug war bei uns eine rosafarbene Holzpfeife, die Wirbelwind zum ersten Geburtstag von einer Freundin geschenkt bekam. Von uns bekam sie Drei- und Laufräder, Autos, Bücher, Legosteine und Bälle geschenkt. Weiblicher wurde das Spielzeug dann mit ca. 1 1/2 Jahren, da gab es eine Küche. Mit zwei Jahren bekam sie einen gebrauchten Buggy und ich kaufte ihr eine erste (billige) Puppe, zum Testen. Die Puppe wurde in der Anfangszeit etwas herumgetragen, aber später kaum beachtet. Rollenspiele mag sie schon. An der Küche spielt sie beinahe täglich. Doch Kochen ist heutzutage ja nicht mehr sonderlich "Mädchentypisch". Statt der Puppe spielt sie lieber mit ihrem Schmusehasen. Der darf auf dem Hüpfpferd reiten. Der Buggy ist sehr beliebt, aber auch das ist für mich nicht Geschlechtstypisch. Viele Jungs (wohlgemerkt im Kleinkindalter) auf dem Spielplatz schieben Buggys vor sich her. Schließlich haben die Räder, da ist das tolerabel.

Zurückblickend kauften wir Spielzeug ganz bewusst eher etwas jungenhafter. Das lag aber auch daran, dass sich Wirbelwind sehr jungenhaft verhielt und heute noch verhält. Sie bewegt sich gerne, kletterte schon früh auf dem Klettergerüst herum, als andere Kinder in ihrem Alter noch brav im Sand spielten. Sie versteht sich auch im Kindergarten besser mit den Jungs, weil sie eher "ihr Kaliber" sind (oh ich muss aufpassen, jetzt wird es schon wieder Stereotyp). Und nun zum Fasching wollte sie unbedingt als Fußballer gehen, ohne dass wir das forciert hatten.

Zur Geburt des Geschwisterchens wird es übrigens eine Babypuppe geben. Dies hat in erster Linie aber den Grund, dass sie mit der Puppe mich und das Baby nachahmen kann und damit - hoffentlich - etwas beschäftigt ist, wenn ich mal eben nicht so viel Zeit für sie habe. Mein Mann hätte ihr wohl lieber einen Fußball geschenkt und zwei Augen drangemalt. Aber Fußbälle hat sie ja nun wirklich schon genug ;-) 

Zum Schluss noch etwas Selbstreflexion

Und schließlich noch eine kleine kritische Reflexion an mich selbst: Als ich erfuhr, dass das zweite Kind ein Mädchen wird, war ich überglücklich. Einmal finde ich es praktisch, die selben Sachen noch einmal verwenden zu können (eben weil ich es mir nicht traue einem Jungen rosa Sachen anzuziehen). Dann dachte ich, dass zwei Mädchen sicherlich viel besser miteinander spielen können, so Mädchenkram halt. 
Als ich meiner Schwester erzählte, dass das zweite Kind auch ein Mädchen wird, meinte sie nur trocken: "Oh, noch eine Fußballerin!" Das sagte sie bewusst, weil sich der Papa natürlich endlich einen "richtigen" Jungen wünschte. Doch eigentlich sagt das Geschlecht des Kindes ja noch nichts darüber aus, welche Interessen es später haben wird. Auch mit Mädchen kann man auf der Wiese Fußball spielen gehen. Doch das Schubladendenken ist eben von Beginn an da.
Auch wir sind also vor Vorurteilen und stereotypem Denken nicht gefeit. Das ist mir bewusst. Aber das ist in der heutigen Gesellschaft auch schwer auszuklammern. Umso schwieriger ist es eben voruteilsfrei an die Erziehung des Kindes heranzugehen und nicht von der dichotomen Konsumwelt ertränkt zu werden.

Wichtig finde ich, dass man sich nicht grundsätzlich der rosaroten Glitzerwelt, bzw. der (wie heißt das bei Jungs?) hellblauen Autowelt grundsätzlich verschließt. Kinder sollen ihre eigenen Erfahrungen machen und selber herausfinden, was sie interessiert. Und da kann für ein Mädchen eben die Meerjungfrauenpuppe mit glänzendem Haar das Ein und Alles sein, während der Junge für Autos schwärmt. Es kann aber auch sein, dass das Mädchen lieber Fußball spielt und der Junge gerne Teeparties veranstaltet. Man sollte auf die Interessen des Kindes hören und sie ernst nehmen, auch wenn diese durch Medien und Kindergarten/Schule "verfärbt" werden. Man muss ja nicht jeden Trend mitgehen.


Wie handhabt Ihr das mit geschlechtsspezifischem Spielzeug?
Wie ticken Eure Kinder?
Und: merkt Ihr den Einfluss von anderen Kinder, Erwachsenen, Medien und Co.?

Eure Wiebke


Labels: