Nachbarschaft

Schlafbild von heute morgen
Es gibt Tage, da gehen einem die Nachbarn ordentlich auf die Nerven. Da schallt der Fernseher des schwerhörigen Herrn unter uns hinauf oder die Knirpse über uns lassen scheinbar tausende Murmeln über den Fußboden springen. Es sind Tage, an denen man sich doch ein Eigenheim wünscht, einen Ort, an dem man sich abschotten und einfach mal seine Ruhe haben kann. 

Doch dann gibt es wieder solche Tage wie heute, wo man froh ist ...


Der Tag ist ein ganz gewöhnlicher Tag. Der Papa verschwindet auf Arbeit und ich mache die Kinder fertig. Wirbelwind muss in den Kindergarten gebracht werden und Wölkchen braucht dringend eine Portion Schlaf, schließlich ist sie bereits zwei Stunden wach. Wir verlassen ganz unspektakulär die Wohnung, Wirbelwind zu Fuß und Wölkchen im "Mama-Bus". Wir gehen die Treppen hinunter und öffnen die Tür. An der Kreuzung sehe ich eine Politesse stehen. Sie notiert sich gerade ganz vertieft in ihrem Element den Falschparker an der Kreuzung. Ich schaue auf das Auto und merke, dass es einem Nachbarn von uns gehört. Also flitze ich zurück, klingle und gebe Bescheid, dass er gerade ein Knöllchen verpasst bekommt. Mit Hausschuhen bekleidet und Dackelblick nähert er sich der Politesse und hat Erfolg. Er kommt um einen Strafzettel herum. 
Wir laufen indes weiter Richtung Kindergarten. Auf dem Weg watschelt uns eine hochschwangere Mutter eines Kindergartenkindes entgegen. Sie lächelt und grüßt. An dem Eingang begegnet uns eine Erzieherin. Auch sie strahlt uns an. Ich öffne die Tür und der Papa eines Kindergartenfreundes von Wirbelwind kommt uns entgegen. Er lacht und grüßt freundlich, bevor er weiter seines Weges geht. In der Gruppe angekommen überreicht Wirbelwind ihrer Lieblingserzieherin die auf dem Weg gesammelten Werke, ein Strauß aus Blättern und Haselnüsse. Die Erzieherin begrüßt Wirbelwind herzlich, nimmt ihr die gesammelten Werke ab und stellt die Blätter in eine Vase. Es ist ein Morgen der Herzlichkeiten. Ich fühle mich Willkommen.
Ich schlendere wieder nach Hause und verweile noch etwas mit dem schlafenden Wölkchen auf dem kinderleeren Spielplatz. Als sie wach wird, gehe ich nach Hause. Vor der Haustür begegnet mir die Familie, dessen Auto heute morgen knapp einem Knöllchen entkommen ist. Wir plaudern kurz, während ich in meiner Tasche nach dem Schlüssel wühle. Er ist nicht da! Kurz überlege ich, ob ich ihn verloren haben könnte, komme dann aber zu der Überzeugung, dass ich ihn sicherlich oben im Schloss stecken gelassen habe. Die Nachbarin kann sich gleich bei mir revanchieren und schließt mir auf. Eine Hand wäscht die andere.
Oben angekommen steckt kein Schlüssel. Oh Schreck. Ich wühle mich nochmals durch meine üppige Handtasche, aber ohne Erfolg. Also muss ich wohl unseren direkten Nachbarn aus dem Bett klingeln. Der Nachbar, der zwei Tage zuvor beim Stromausfall spontan bei uns klopfte und mit uns Abendbrot im Kerzenschein aß. Der Nachbar, der unserem Wirbelwind gerne etwas Leckeres zusteckt, wie Bananen oder Tic Tacs. Der Nachbar, mit dem wir im Sommer des Öfteren gemeinsam im Hof grillen. Dieser Nachbar hat einen Ersatzschlüssel. Es ist halb 10, da kann ich es riskieren. Er hat keine Kinder. Er öffnet mir verschlafen und beteuert, dass er bereits wach war. Dann überreicht er mir den Ersatzschlüssel. Ich öffne die Tür und entdecke meinen Schlüssel am Schlüsselbrett. Sowas.

Ja, mit so einer Stilldemenz ist nicht zu spaßen. Aber solange man hilfreiche Nachbarn hat, ist alles halb so wild.

Eure Wiebke

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