Warum ich nach dem Besuch einer Bloggerkonferenz das Bloggen hinschmeißen wollte

Foto: Pixabay.com (geänder)
Einen ersten Einblick in mein vergangenes Wochenende und meine Eindrücke von der #denkst habe ich Euch ja bereits hier geschildert. Viele positive Erinnerungen nehme ich mit. Aber auch noch etwas anderes ist passiert. Die denkst hat mich zum Nachdenken angeregt. Klar ist das beabsichtigt, der Name ist schließlich Programm. Viele Blogger haben Anregungen geliefert den Familien- und insbesondere Mama-Blogger zu bestärken, Mut herauszukitzeln und Solidarität zu fördern. Und dennoch bewirkte es das Gegenteil und ließ mich meine gesamte Blogger-Existenz in Frage stellen. 

Ich stimme damit überein, dass Blogger sich untereinander mehr helfen sollten. Mehr teilen, mehr unterstützen, mehr kommunizieren. Die Solidarität unter Bloggern sollte größer werden. Wir sitzen doch alle im selben Boot. Und dieses Boot ist derzeit noch kein Luxusliner, sondern eher ein Ruderboot. Einen Elternblog zu betreiben ist viel Arbeit, entspanntes Zurücklehnen und Treibenlassen Fehlanzeige. Aber genug der Boots-Metapher.


Erfolg um jeden Preis?

Viele Vorträge bei der "denkst" wollten jedoch noch mehr. Sie zielten darauf ab erfolgreicher zu werden. Sie erforschten beispielsweise, wie man mit diskussionsfreudigen Themen mehr Personen auf sich aufmerksam macht. Besonders der Vortrag von Svenja von "Meine Svenja" hat mich aufgewühlt. Sie ist eine beeindruckende Frau, äußerst sympatisch, eloquent, direkt, lustig, charismatisch. Und damit in so vielen Dingen das komplette Gegenteil von mir. Sie gab uns wirklich hilfreiche Tipps, wie man seinen Blog nach Vorne bringen kann, wie man beispielsweise Beiträge so formuliert, dass sie in Suchmaschinen besser gefunden werden und damit mehr Reichweite generieren. Aber sie machte uns auch klar, dass wir selbstsicherer vor "Kooperationspartnern" auftreten sollten und nichts für lau annehmen sollten. Der Ruf einer ganzen Branche stehe auf dem Spiel. Wie sollen Mama-Blogger ernst genommen werden, wenn sie für einen Apfel und Ei ein Produkt auf ihrem Blog anpreisen, also quasi für einen Hungerlohn arbeiten?

Während des gesamten Vortrages dachte ich nur: wow. Tolle Frau. Beeindruckend, wie sie das macht. Und als die letzten Worte gesprochen waren, saß ich ganz klein auf meinem Stuhl. Plötzlich breitete sich eine Leere in mir aus. Das Gefühl, ein Nichts zu sein, etwas Unbedeutendes zu machen. Aber da war noch mehr, ein seltsamer Beigeschmack, den ich nicht gleich deuten konnte. Erst später, als ich nochmal alles Revue passieren ließ, wurde es mir bewusst. Das, was Svenja da tut, was sie beschreibt, was sie von uns fordert, das kann ich nicht. Denn ich bin nicht sie. Ich bin nicht so eloquent. Ich bin nicht so selbstbewusst. Ich bin nicht so charismatisch. Ich habe nicht die Zeit und vielleicht auch nicht die Leidenschaft so viel in den Blog zu stecken, wie es notwendig wäre, um dort zu stehen, wo Svenja jetzt steht. ICH KANN DAS NICHT. Und noch viel wichtiger: ICH WILL DAS NICHT. 

Muss ich jetzt mit dem Bloggen aufhören?

Genau diese Frage schoss mir durch den Kopf. Wenn ich das nicht kann, was Svenja da sagt, dann sollte ich vielleicht lieber ganz aufhören. Dann hat das doch alles keinen Sinn. Ich kann nicht die Mama-Blogger-Szene auf ein Niveau heben, das für mich unerreichbar ist. Ich kann nicht stundenlang am PC sitzen und Beiträge anderer Blogger teilen, weil ich das nun mal nicht hauptberuflich mache. Ich kann mich nicht in die Masse an SEO-Tools einarbeiten, um alle meine Beiträge zu optimieren. Und: ich werde aus genau diesen Gründen niemals die Erfahrung haben, die Svenja hat, um sie meinen "Klienten" für viel Berater-Geld weiterzugeben. Ich kann mich nicht mit dem Wert verkaufen, den sie einfordert, weil ich nicht diesen Wert besitze. 
Mit ist klar, dass genau diese Sicht kritisiert wurde, dass wir uns unter Wert verkaufen. Aber Blogger ist eben nicht gleich Blogger. Nicht alle Blogger haben den selben Wert, so wie auch im Arbeitsleben nicht alle Berater auf dem gleichen Niveau sind. 

Warum für mich Berufsblogger keine Blogger im eigentlichen Sinne sind

Und dann war mir eines klar. Ich mache das Bloggen nicht hauptberuflich, und habe auch nicht vor das zu tun. Es ist ein Hobby. Und genau das ist wohl das Haupt-"Problem" am Bloggen und warum Eltern- und insbesondere Mama-Blogger nicht ernst genommen werden: Die zwei Dimensionen der Mama-Blogger.
Viele machen es als Hobby und sie machen es gerne als Hobby. Sie schreiben über ihren Familienalltag, weil sie gerne lustige, traurige und spannende Geschichten des Tages festhalten, weil sie sich gerne austauschen, weil sie sich im Online-Clan wohlfühlen. Dazu zähle ich mich. 
Und dann gibt es die - im Vergleich zu den Hobby-Bloggern - kleine Anzahl von Berufsbloggern, solche wie Svenja, die durch das Bloggen (sei es jetzt direkt oder indirekt) ihr Geld verdienen. 
Während die Berufsblogger professionell an Firmen herantreten können, ihr Media-Kit präsentieren und ihre Preisliste offenbaren, freuen sich die Hobby-Blogger bereits darüber über ein Spielzeug im Wert von 10 Euro berichten zu dürfen. Sie haben kein Media-Kit und keine Preisliste, denn ein großer Teil von den Hobby-Bloggern, davon gehe ich aus, hat nicht einmal eine eigene Steuernummer, um die Mehreinnahmen ordnungsgemäß abrechnen zu können. Es ist ja schließlich "nur" ein Hobby.

Den Kooperationspartner, Auftraggebern, Zeitschriften usw. ist das egal. Blogger ist Blogger. Auch Hobby-Blogger können gut schreiben. Sie unterscheidet von den Berufsbloggern ja selten die Schreibkunst, sondern eher (eine These) die investierte Zeit. Hauptsache sie bekommen am Ende günstig einen Artikel zu Stande, entweder beim Blogger selbst über das gewünschte Produkt, oder beim Auftraggeber. 

Der Aufruf, zukünftig Beraterhonorare bei allen Auftraggebern für das Bloggen einzufordern, ist realitätsfern. 

Die Intension dahinter ist verständlich. Aber es ist einfach nicht realistisch. Das Bloggen selber wird aus den genannten Gründen wohl nie so aufgewertet werden, dass jeder Blogger mit einer Selbstverständlichkeit dreistellige Summen für einen Artikel angeboten bekommt. Denn viele Blogger wollen das gar nicht. Klar wäre etwas Anerkennung schön, aber um welchen Preis?

Wenn Blogger Berater-Honorare wollen, müssen sie sich eben Berater nennen. Dann müssen sich die Berufsblogger von den Hobby-Bloggern durch ihre Bezeichnung abgrenzen. Dann geraten Hobby-Blogger nicht in die Bedrängnis, plötzlich für eine gesamte Branche gerade stehen zu müssen. Dann darf ich weiterhin meine Familiengeschichten posten, ganz ohne SEO-optimierten Text, ganz ohne kostenpflichtige Programme, die meine Pins auf Pinterest verteilen, ganz ohne den Druck, dem man sich mit einer Professionalisierung zwangsläufig aussetzt. Und die Berufsblogger können mit ihren Preislisten an ihre Kunden herantreten. 

Bitte versteht mich nicht falsch: ich mag die Aufbruchsstimmung, die hier gerade zu herrschen scheint. Ich mag den Stolz, der aus den Augen vieler Mama-Blogger spricht. Ich mag auch das Selbstverständnis, mit der Blogger ihre Arbeit honoriert haben wollen. Aber bitte: schert nicht alle über einen Kamm. Nehmt den Hobby-Bloggern nicht die Luft zum Atmen und die Lust am Schreiben, weil sie sich von Euch Berufsbloggern bedrängt und vielleicht sogar verdrängt fühlen. Habt Nachsicht. 

Und ich? Ich blogge weiter, als Hobby. Denn es macht mir Spaß. Noch.

So, und nun sind die Diskussionen eröffnet.

Eure Wiebke



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Ich werde mich wohl nicht beliebt machen mit diesem Post: Warum ich nach der #denkst kurzzeitig ans Aufhören dachte https://t.co/AoqITTicUX
— WIEBKE (@VerflixteAlltag) 25. April 2016


zum Weiterlesen:
MrsCgn: Mama: ja - Mamabloggen: Naja
Glucke und so: Mein Blog, meine Baustelle
Mama on the rocks: bloggerwars
Dadddy dahoam: Hopp(y) oder Top?
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Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade: 
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