Dankbarkeit

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Die milde Luft weht mir um die Nase. Vögel geben sich ein fröhliches Stelldichein. Begleitet vom Surren des Buggys schaue ich auf den Hinterkopf meines Wölkchens. Sie jauchzt vor sich hin. Etwas in ihrem Blickfeld scheint die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt zu haben. Sie ist glücklich und so lebendig. So gesund. Mein Kopf schwirrt.
Immer noch starre ich auf Wölkchens Hinterkopf, der sich freudig hin und her bewegt. Nun greift sie zur Mütze und nimmt sie von ihrem kleinen Köpfchen. Ehe ich mich versehe, hat sie ihren Arm zur Seite ausgestreckt und ihre winzige Hand geöffnet. Die Mütze fällt lautlos zu Boden.    

Normalerweise ist das der Moment, in dem ich gespielt entrüstet aufschreie, um ihr verständlich zu machen, dass mir das so gar nicht gefällt. Diesmal nicht. Ich hebe die Mütze wortlos auf und unterdrücke eine Träne. Nein, diese Träne will nicht aus Wut oder Frust ans Tageslicht. Es ist ein anderes Gefühl, dass mich gerade erfasst und selbst eine herunter geworfene Mütze überspielt: Dankbarkeit.  

Harte Schicksale

Mir kommen Gedanken an gute Freunde und liebe Bekannte. Sie hatten nicht dieses Glück. Das Eine wird bald operiert werden. Bis zu drei Stunden kann es dauern. Zeit, in der die Mutter bangend darauf wartet, dass alles gut gehen wird. Ich kann nur erahnen, wie aufgewühlt die Mutter in diesen Stunden sein wird. Das andere Kind kämpft gegen Krebs. Ein Schicksal, das keine Familie erleben möchte, erst recht nicht bei seinem kleinen, winzigen Kind. 
Pläne, die mit Kugelbauch so hoffnungsvoll geschmiedet wurden, liegen auf Eis oder wurden umgeworfen. Alles wurde anders, so anders. Es ist ein Schlag ins Gesicht, und in die Magengrube. Und wahrscheinlich in alle anderen Körperteile obendrauf. Viele nervenaufreibende Wege lagen hinter den Familien und werden auch in Zukunft folgen. Ich denke viel an sie, gerade jetzt.

Gemeinsam - einsam

Wir als Eltern, wir gehen durch unsere Höhen und Tiefen. Wir ärgern uns über drückende Zähne und uns überrollende Wachstumsschübe. Aber etwas ganz Wichtiges dürfen wir dabei nicht vergessen: wir sind nicht allein. Fast alle Eltern machen eben genau diese Dinge durch. Wir können uns anderen Müttern und Vätern anschließen, mit ihnen über den ersten Brei und die Farbe des Stuhls diskutieren. Wir können über die ersten freien Schritte jubeln und die ersten Worte bestaunen. Wir können uns unser Leid klagen, wenn mal wieder das Kind nicht so will, wie wir es wollen. Wir können über die besten Urlaubsorte sinnieren. Wir können über Zukunftspläne grübeln. 
Egal, um was es geht. Eines haben wir gemeinsam: unsere Kinder entwickeln sich parallel. Es beschäftigen uns immer ähnliche Themen, auch wenn der eine eher, der andere später oder gar nicht impft, oder das eine Kind bereits mit 10 Monaten, das andere erst mit 18 Monaten läuft. Wir können miteinander plaudern, schauen, was unser Nachwuchs kann und zumeist zu dem Schluss kommen, dass unser Kind in irgendeiner Sache ganz gut da steht und erleichtert aufatmen. Alles im Lot. 

Und dann gibt es die Eltern, die nicht das Glück haben. Sie haben wunderbare, starke Kinder, die eben nicht diesen Weg gehen, den so viele andere gehen. Sie straucheln und stolpern. Zwar nicht allein, aber eben auch nicht gemeinsam. 

Dankbarkeit

Es erdet und macht mich dankbar für genau die Dinge, die man sonst als selbstverständlich hinnimmt. Ich bin so unglaublich dankbar dafür, dass mein Wirbelwind und mein Wölkchen so gesund sind, dass sie mich anlächeln, mit mir diskutieren, mich umarmen, mich küssen, staunen, jubeln, springen, weglaufen und wiederkommen ... und Mützen herunterwerfen. Sie können machen, was sie wollen, weil sie es können. Weil es ihnen gut geht. 
Sie müssen nicht von einem Arzt zum anderen rennen. Und sie müssen nicht ein Teil ihrer Kindheit opfern, um später jenseits der Kindheit eine lebenswertes Leben zu haben. Sie können einfach Kinder sein. Und wir einfach Eltern. 

Danke. 

Eure Wiebke 

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