Selbstbestimmtes Einschlafen - noch so ein modernes Erziehungsding?

Christine von "Mama arbeitet" hatte letztens einen Artikel zum selbstbestimmten Einschlafen verfasst. Sie erklärt, wie das mit ihren drei Kindern so funktioniert, aufgeschlüsselt nach Alter. Ob Baby, Kleinkind, Grundschulkind oder Teenie, für alle hat sie die passende Antwort parat. Irgendwas brachte mich daran ins Grübeln. 
Was hinter dem Begriff steckt, warum es angeblich so gut sein soll und was ich davon halte, könnt Ihr hier nachlesen.

Was ist selbstbestimmtes Einschlafen?

Was heißt das denn nun, selbstbestimmtes Schlafen bzw. Einschlafen? Bei Wikipedia gibt es dazu noch keinen Eintrag, daher versuche ich es mal so zu erklären, was ich aus verschiedenen Quellen zusammengetragen habe: 
Selbstbestimmtes Einschlafen bedeutet, dass die Kinder selber bestimmten, wann sie ins Bett gehen. Das kann, je nachdem wie anstrengend der Tag war, mal etwas eher oder etwas später sein. Und es kann eben auch von Kind zu Kind variieren. Manch ein Kind ist bereits um 18:30 Uhr hundemüde, wie unser Wölkchen, und manch ein Kind eben 22 Uhr noch putzmunter. Manche Kinder benötigen nur 9 Stunden, andere wiederum 14 Stunden Schlaf am Tag (bzw. in der Nacht).

Warum selbstbestimmtes Einschlafen?

Jesper Juul schreibt in seinem Buch "Dein kompetentes Kind" ein paar sehr spannende Zeilen. Er nennt es nicht "selbstbestimmt Schlafen", meint es aber wohl. In einem Beispiel (S. 147ff) beschreibt er, wie ein Vater sein Kind dazu zwingt, Mittagsschlaf zu halten. Juul erläutert, warum er das für eine schlechte Vorgehensweise hält. Er erklärt, dass das Schlafbedürfnis des Kindes auf diese Weise fremdbestimmt wird. Problematisch daran ist, dass das Kind nicht lernt, selber auf seine Bedürfnisse zu hören, sondern immer darauf angewiesen ist, dass ihm jemand sagt, dass er nun schlafen solle. Auch wird täglich ein Kampf um die Schlafenszeit ausgetragen werden, in dem das Kind um etwas mehr Wachzeit feilscht oder Eltern und Kind miteinander diskutieren. Diese Konflikte führen dazu, dass das Kind das Gefühl bekommt den Eltern zur Last zu fallen, sobald es auf seine eigenen Bedürfnisse hört. Es denkt: "Um geliebt zu werden, muss man sich selbst verleugnen" (S. 149). Im schlimmsten Fall kann es zu einer Trotzreaktion führen, so dass Kinder Forderungen anderer und die eigenen Bedürfnisse missachten. 

Das klingt hart und legt viel Verantwortung in die Hände der Eltern. Was kann man also tun, um diese Spirale zu verhindern? Nach Jesper Juul könnte der Vater seinem Kind versuchen, den Mittagsschlaf nahe zu legen, ohne ihn zu zwingen. 

Es läuft also darauf hinaus, Fehlentscheidungen des Kindes in Kauf zu nehmen und zu bewerten, aber nicht in die Entscheidung einzugreifen. Auf diese Weise soll das Kind lernen auf seine eigenen Bedürfnisse zu hören und irgendwann, nach Juul etwa mit 1 1/2 bis 2 Jahren, selber zu sagen: "Müde. Bett". Auf diese Weise kann, so Juul, das Kind ein gesundes Selbstgefühl aufbauen und Eigenverantwortung übernehmen.

Wenn man das bei Juul so liest, klingt es irgendwie einleuchtend. Aber möchte ich denn, dass mein Kind bis Mitternacht auf meinem Sofa herumturnt? Ist es mir das wert? Kann ich meinem Kind nicht beibringen schlafen zu gehen, ohne dass man täglich Konflikte austrägt und sein Selbstgefühl schwächt?

Selbstbestimmtes Einschlafen - gibt es das bei uns?

Christine von "Mama arbeitet" schreibt, dass Babys das mit dem selbstbestimmten Einschlafen ja sowieso von selbst machen. Wenn sie müde sind, dann schlafen sie. An dieser Stelle müsst Ihr Euch mich vorstellen, wie ich hysterisch lachend vor dem Computer sitze und diese Zeilen lese. Keine meiner beiden Kinder hatte das im Babyalter drauf. Von einigen Ausnahmen einmal abgesehen, mussten sie immer in den Schlaf begleitet werden: geschoben, gewogen, gestillt, händchenhaltend. Auch später war die Große sehr - nennen wir es mal - eigensinnig, was das Einschlafen anging.  
Kinder, die ihr Mittagessen als Kopfkissen benutzen, sind für mich unbegreiflich. Gibt es die wirklich? Und noch viel wichtiger: dachten sich die Eltern: ich lasse mein Kind selbstbestimmt Mittagsschlaf machen. Es will nicht ins Bett gehen, also schläft es eben etwas im Kartoffelbrei?! 

Ihr merkt schon, ich stehe dem Thema "selbstbestimmt Einschlafen" etwas skeptisch gegenüber, auch wenn Juul es so schön erklärt. Unwillkürlich denke ich an das Essen, einem weiteren Grundbedürfnis. Muss man dann seine Kinder auch "selbstbestimmt Essen" lassen? Wenn ich meinem Kind erlauben würde zu Essen, was es möchte, dann würde es sich ausschließlich von Gummibärchen und Eis ernähren. Selbst wenn sie jeden Abend mit Bauchschmerzen ins Bett gehen würde, daran würde sie festhalten, dessen bin ich mir sicher. 

Und woran liegt das? Es liegt daran, dass mein Kind Bedürfnis und Wunsch noch nicht unterscheiden kann. Es hat Hunger und möchte Naschen, statt etwas Vernünftiges zu Essen. Genauso verhält es sich mit der Müdigkeit. Das Bedürfnis nach Schlaf wird vom Wunsch, wach zu bleiben, überlagert. Gut, hinter jedem Wunsch steckt sicher auch ein Bedürfnis, vielleicht das nach Aufmerksamkeit oder Selbstverwirklichung. Aber da sie keine Grundbedürfnisse darstellen, sind sie für mich zweitrangig. Müdigkeit muss aus meiner Sicht zuerst bedient werden. 
Aber wie lernt ein Kind nun besser, auf seine Bedürfnisse zu hören? Indem es jeden Abend auf dem Sofa einschläft, oder indem die Eltern ihm sagen, dass es müde aussieht und doch besser ins Bett gehen sollte?

Versteht mich nicht falsch: Ein komplett waches Kind würde ich niemals ins Bett stecken. Aber wir haben unsere Rituale und Zeiten, zu der wir ins Bett gehen. Diese Rituale halte ich für sehr wichtig und für unsere Kinder auch absolut notwendig. Sie bilden den Rahmen für das Schlafen und - weil es angesprochen wurde - auch das Essen. Innerhalb dieses Rahmens dürfen die Kinder selber entscheiden: Wir sagen, was es zu Essen gibt und das Kind darf entscheiden, was von dieser Auswahl und wie viel es haben möchte. Wir sagen, dass es jetzt Zeit für das Bett ist, und das Kind entscheidet, ob es dann im Bett noch etwas vor sich hin plappert oder ein Buch anschaut. Aber ins Bett gebracht wird es. Das ist bei der Großen für gewöhnlich um acht Uhr. Dann wird die Tür geschlossen und die Eltern haben noch etwas Zeit für sich.

Es ist zwar nicht komplett selbstbestimmt, aber auch nicht völlig fremdbestimmt. Vielleicht kann man unser Vorgehen so zusammenfassen: Selbstbestimmt Leben, Essen und Schlafen, im Regelrahmen der FamilieDenn auf die Bedürfnisse der Kinder zu hören, heißt für mich nicht, dass sie den gesamten Tagesablauf bestimmten! Auch die Bedürfnisse der Eltern sind wichtig und es Wert den Kindern zu vermitteln.

Oder wie seht Ihr das?

Eure Wiebke


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— WIEBKE (@VerflixteAlltag) 1. Juli 2016



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