Die zweite Woche der Kita-Eingewöhnung - Achterbahn der Gefühle

Garderobe_Kindergarten_Kinderrucksack
Die zweite Woche der Kita-Eingewöhnung ist vorbei. Ein emotionales Auf- und Ab. Und daran möchte ich Euch teilhaben, insbesondere an den letzten zwei Tagen, in denen ich mich erstmals von Wölkchen getrennt habe. Acht Tage war sie in der Kita, bevor die erste Trennung stattfand. Eine lange Zeit, die ich selber forciert habe. Auch habe ich Wölkchen ganz bewusst immer wieder zu einer Erzieherin gesetzt, damit sie zu ihr Kontakt aufnimmt und Vertrauen fasst. Die Erzieherin hat mitgespielt und mir am Donnerstag versichert, dass sie sich bei einer Trennung um Wölkchen kümmern wird. Ich war erleichtert und gab grünes Licht. Gleich würde ich den Raum verlassen. 

Die erste Trennung

Noch während ich mich vor Wölkchen hocke, um mich zu verabschieden, weint sie los. Sie strampelt und wehrt sich gegen den Griff der Erzieherin, auf dessen Schoß sie sitzt. Sie wusste was passieren würde, noch als die Erzieherin sich ihr genähert hatte. Sie hat es gespürt. Ich versuche zu lächeln und verlasse hastig den Raum, begleitet von Wölkchens verzweifelten Rufen.  

Ich setze mich auf das kleine Bänkchen im Flur. Ein Garderobenhaken piekst mir an den Kopf, doch das merke ich kaum. Emotional zerwühlt lausche ich in den Raum hinein. Durch die geschlossene Tür höre ich mein Wölkchen, wie es weint und schreit und schluchzt. Ihrem Weinen merkt man an, dass sie schon sehr gut versteht, dass ich nicht nur auf der Toilette bin. Sie weiß, dass das erst der Anfang ist. Dass ihre Mama jetzt immer öfter den Raum verlassen und sie alleine zurücklassen wird. 

Ich sitze auf der Bank und bekomme einen Kloß im Hals. Ich muss zwinkern, viel zwinkern, damit mir keine Träne aus den Augen kullert. So gerne würde ich jetzt zur Glasscheibe hineinschauen und Wölkchens Körpersprache sehen. Wirft sie sich in den Rücken und verweigert sie jeglichen Körperkontakt? Oder lässt sie sich von unserer selbst ernannten Bezugserzieherin trösten? Ich weiß es nicht. Ich kann in genau diesem Moment die Situation überhaupt nicht einschätzen, und das bringt mich gerade um den Verstand. Gerade jetzt werden die Weichen gestellt, für die nächsten Tage, Wochen, Monate, ja sogar Jahre. Jetzt entscheidet sich, ob Wölkchen es zulässt, von einer anderen Person getröstet und später eben auch betreut zu werden. Jetzt entscheidet es sich. 

Ich horche weiter auf das Schreien. Es wird weniger vehement. Weniger aufgelöst. Es geht in ein Jammern über und verhallt schließlich gänzlich. Vielleicht drei Minuten sind vergangen, seit ich den Raum verlassen habe. Das ist gut. Es waren nur drei Minuten. Mein Herz entkrampft sich. Meine Zehnen, die sich gerade noch in den Fußboden gekrallt haben, werden wieder locker. Ich atme ein. Aus. Ein. Aus. 

Zwanzig Minuten später wird mir mein Wölkchen übergeben. Sie hatte nicht noch einmal geweint. Sie hatte sich ablenken lassen, trösten lassen und gespielt. Dennoch schaut sie mich aus traurigen Augen an. Ich versuche zu lächeln. 

Die zweite Trennung

Am Freitag spielt Wölkchen wieder zunächst in der Gruppe. Sie ist sehr anhänglich und setzt sich immer wieder auf meinen Schoß. Wenn sich die Bezugserzieherin nähert, klammert sie. Dennoch gibt es immer wieder Momente, in denen sie sich im Raum frei bewegt, neugierig Spielzeug erkundet und auf andere Kinder eingeht. Es sind Momente, in denen ich erleichtert aufatme und denke: es wird. 

Eine Erzieherin kommt auf mich zu und schlägt von sich aus vor die Eingewöhnung langsamer angehen zu lassen. Ich bin positiv überrascht. Erstmals wird erkannt, dass Wölkchen nicht in das Eingewöhnungs-Schema passt, das die Erzieher sonst durchziehen. Hat sich meine Hartnäckigkeit doch bezahlt gemacht? Ich fange an mehr Vertrauen in die Situation zu legen. 

Dann setzt sich die Bezugserzieherin an den Tisch und versucht Wölkchen zum Mitspielen zu animieren. Wölkchen klammert sich an mich. Sie ahnt wieder, was gleich passieren wird und ich folge ihrer Erwartung. Ich bringe sie zur Erzieherin und verabschiede mich, wie ich es bereits am Vortag gemacht habe. Auch diesmal protestiert sie heftig. Ich setzte mich wieder auf meine kleine Bank vor der Tür, wo ich Wölkchen so gut hören kann. Erstaunlich schnell beruhigt sie sich. Es ist nicht einmal eine Minute. Ich habe mit mehr gerechnet. 

Ich werde in den Warteraum geschickt und eine halbe Stunde später von der Kita-Leiterin wieder abgeholt. Sie spricht mich auf meine Anspannung an. "Das scheint sie ja ziemlich mitzunehmen", kommentiert sie mein Erscheinungsbild. ´Sieht man mir das echt so an?`, schießt es mir durch den Kopf. Scheinbar schon. Sofort habe ich wieder Tränen in den Augen. Es ist eben doch eine emotionale Achterbahn-Fahrt. Der Frust der ersten Woche, die negativen Gefühle vom Anfang dieser Woche, die Anspannung bei der Trennung und die positive Wendung. 

Als ich den Raum betrete, sitzen alle Kinder noch am Tisch. Es gab Obst. Nur Wölkchen steht bereits am Fenster und schaut hinaus. Als sie mich entdeckt, stolpert sie auf mich zu. Ihr neutraler Gesichtsausdruck verzerrt sich zu einem anklagendem Jammern. Sie ist wütend auf mich, dass ich sie zurückgelassen habe und lässt es nun heraus. Mitten im Raum bleibt sie stehen, weil sie nicht mehr weiter weiß mit ihren Emotionen. Ich laufe zu ihr, nehme sie in den Arm und tröste sie. 
Sie riecht so anders. Das Haar duftet nach dem Parfüm der Erzieherin. Es ist, als wenn sie mir fremd gegangen ist. Eine neue Person ist in ihr Leben getreten und wird sie mir in Teilen wegnehmen. Mein Wölkchen! Loslassen ist schwer, echt schwer. Für beide Seiten.

Nun ist Sonntag. Morgen geht es weiter. Die Zeit in der Gruppe wird nun weiter gesteigert, von bisher eine auf zwei Stunden. Ich bin gespannt, ob sie die Betreuung langsam annimmt, oder sich nochmal dagegen aufbäumt. Ich hoffe ersteres, denn alles andere würde mein Herz wohl nicht aushalten. 

Eure Wiebke 

Labels: