Und ich dachte wir wären über dem Berg - oder: wenn die Angst größer ist als die Müdigkeit

Jetzt ist es 21.18 Uhr und ich sitze im dunklen Schlafzimmer und tippe diese Worte in die Tastatur. Das Klackern hallt durch den Raum. Am anderen Ende des Raumes schläft Wölkchen. Endlich. Vor einer halben Stunde sah es noch ganz anders aus. Vielleicht waren es die Zähne, vielleicht völlige Übermüdung, vielleicht auch ein quersitzender Pups. Oder, noch wahrscheinlicher, war es die maßlose Überreizung durch den eigentlich sehr schönen Tag. Aber eigentlich ist es egal, woran es lag, das Ergebnis ist immer das Gleiche: ein schreiendes, schluchzendes Wölkchen, das selbst durch Körpernähe nicht zu beruhigen ist. 


Rückblick

Ich dachte wirklich wir sind durch. Mit ca. sechs Monaten wurde es vieeeel besser. Schrei-Attacken wurden seltener und der Alltag deutlich verträglicher. Wölkchen schien nicht mehr so schnell durch äußere Reize überflutet zu werden und ließ mich tatsächlich ein wenig die Elternzeit genießen. Auch Reisen war wieder möglich. Zwar musste man sich drauf einstellen, dass sie an fremden Orten deutlich anhänglicher war, aber es war händelbar.
Auch diesmal schien es so. Wir sind zu Besuch bei meiner Schwester. Wir heißt: Wirbelwind, Wölkchen und ich. Der Mann durfte Männertag feiern und kommt morgen nach. Die letzte Nacht war wie erwartet komplizierter, als zu Hause, aber im Rahmen. Das heißt übersetzt: die erste Hälfte der Nacht hat Wölkchen in ihrem Bettchen geschlafen, die zweite Hälfte etwas unruhig und eng an mich gekuschelt. Der heutige Tag war sehr schön. Wölkchen strahlte mit der Sonne um die Wette, wir lungerten im Garten herum, gackerten, kuschelten, aßen und spielten viel. Es war ein wirklich schöner Tag. Bis es Abend wurde.

Das erste Zubettbringen

Ich betrat mit ihr das Schlafzimmer, und sie wurde unruhig. Sie ließ sich noch den Schlafanzug anziehen, doch beim Schlafsack schrie sie bereits los. Als ich ihr ihre Milchflasche entgegen hielt, drehte sie den Kopf weg. Ich nahm sie hoch und sie kuschelte sich an mich. Sie schien sehr müde zu sein, hatte heute nur ein kurzes Mittagsschläfchen gemacht. Ich legte sie ins Bett und sie richtete sich sofort auf. Empörung machte sich breit. Sie hielt sich am Bettrand fest und fing an sich hineinzusteigern. Ich versuchte die Situation zu entspannen, indem ich ihr das Babyfon hineinreichte. Sie war augenblicklich ruhig und begutachtete neugierig die leuchtenden Knöpfe. Als ich sie irgendwann sanft hinlegte, begann sie von Neuem. Ich versuchte es nochmal mit der Flasche und sie trank. Nun ließ sie sich hinlegen, war aber weiterhin sehr unzufrieden mit der Gesamtsituation. Irgendwann schloss sie die Augen. Die Müdigkeit siegte. Noch.

Der verzweifelte Versuch

Eine halbe Stunde später, ich wollte gerade Wirbelwind ins Bett bringen, rief meine Schwester, dass Wölkchen wach sei. Ich flitze ins Schlafzimmer und fand ein aufgelöstes Baby vor. Heiß vom (eigentlich nur kurzen) Schreien. Ich verabreichte ihr Zahnungsgel, doch sie weinte. Ich nahm sie hoch, doch sie weinte weiter. Ich trug sie herum, doch sie weinte weiter. Ich sang ihr Schlaflied, sie weinte weiter. Ich legte mich mit ihr zusammen ins große Bett. Sie weinte und weinte und weinte. 

Ich beschloss die Situation zu wechseln, bevor sie sich noch mehr hineinsteigerte. Ich ging mit ihr hinunter zu Wirbelwind und sang ihr noch ihr Gute-Nacht-Lied vor. Wölkchen war auf meinem Arm. Sie hatte sich beruhigt, aber schluchzte weiter vor sich hin. Der Körper bebte noch nach und war noch nicht zur Ruhe gekommen. Ich verabschiedete mich von Wirbelwind und versprach ihr morgen gleich früh gaaaaanz viel vorzulesen. Ihre Enttäuschung, dass ich es nicht sofort tat, stand ihr ins Gesicht geschrieben. Mein Herz blutete. Konnte ich sie gestern auch nicht richtig ins Bett bringen, weil genau da Wölkchen nach mir rief. Déja vu. 
Und auch jetzt war da dieses schluchzende Etwas in meinem Arm, das verarztet werden musste. Ich setzte mich kurz ins Wohnzimmer, wo sich Wölken wieder an mich kuschelte und kurzzeitig die Augen schloss. Das war das Zeichen. Ich ging wieder ins Schlafzimmer, um mein Glück zu versuchen. Doch bereits auf dem Weg dorthin begann Wölkchen erneut zu Weinen. Der Versuch mich mit ihr hinzulegen scheiterte. Ich setzte sie ab, auf den Fußboden. Den Schlafsack entfernte ich zuvor. Sie war sofort gefasst. Etwas irritiert, dann aber neugierig krabbelte sie zur Thermoskanne, in der das Wasser für die Nachtmilch schlummerte. Irgendwann, nach fünf Minuten vielleicht, kam sie wieder auf mich zugekrabbelt. Ich lag immer noch im Bett. Nun meckerte sie wieder. Ich nahm sie hoch und sie weinte erneut. Ich bot ihr etwas Milch an und sie trank ein paar Schlucke. 

Plötzlich legte sich ein Schalter um. Mit ein paar Tropfen Milch im Bauch und neu gesammelter Müdigkeit ließ sie sich hinlegen, ohne zu Weinen. Zwar setzte sie sich noch ein paar Mal auf, aber irgendwann schloss sie die Augen. Mit ihrem Schmusetuch wischte sie sich noch zweimal routiniert über die Nase und irgendwann war der Arm dann schlapp. Die Atemzüge wurden gleichmäßiger. Nichts regte sich mehr. Sie war eingeschlafen! 

Nachbereitung

Und nun sitze ich unter der Decke und versuche zu einem Ende zu kommen. Unter der Decke, damit Wölkchen von den Klackergeräuschen nicht aufgeweckt wird. Eigentlich könnte ich jetzt auch neben ihr liegen. Aber das musste ich noch niederschreiben. Eine erste Aufarbeitung quasi. Nicht formvollendet zwar, aber dafür lässt es mich hoffentlich besser schlafen. 

Eine weitere Nacht müssen wir noch "überstehen". Wünscht uns Glück, dass es Wölkchen morgen Abend besser packt. 

Und nun (hoffentlich) gute Nacht.

Eure Wiebke

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